Die dritte Natur

Lasst uns über eine neue menschliche Informationstechnologie nachdenken

Natur steht im engen Verhältnis zur Information. 2018 näherten wir uns der Information über das Thema Entropie. Wir wollen versuchen die Natur(Information) aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Um die Natur besser zu analysieren zu können möchte ich sie in drei Evolutionsschritte einteilen.

  • Erste Natur: beinhaltet die physikalischen Gesetze rund um die Entstehung des Universums. Information ist synchron mit der Zeit
  • Zweite Natur: - Die chemische Evolution entwickelt Leben, dies ermöglicht die Speicherung von Information. Information wird asynchron
  • Dritte Natur: Digitale Physik und Quantentheorien hinterfragen den Realitätsbegriff der ersten und zweiten Natur. Information könnte ohne Zeit existieren.


Mit der dritten Natur würde das Zeitalter der autonomen Information beginnen. Eine Information, die den Menschen als Rezipienten nicht mehr benötigt. Mit dem pysikalischen/mathematischen Begriff einer komplexen Information in einer neuen Informationstheorie könnten wir der Zeitraum der 2. Natur in dem der Mensch lebt verlängern.



Für die Überlegungen rund um eine dritte Natur ist wieder einmal der Kunstkontext notwendig. Er ermöglicht uns eine freiere Abstraktion des digitalen Zeitalters. Das Infolab der STWST versucht seit einigen Jahren mit verschiedensten Projekten einen andere Blickwinkel auf unsere Informationsgesellschaft aufzuzeigen. Beispielhaft nenne ich nur einige:

Der künstlerische Kontext ist notwendig um nicht im fortgeschrittenen Konsens der logischen Informationsgesellschaft argumentieren zu müssen. Die Entwicklung der Informationsgesellschaft erfolgte über die Informationstheorie von Claude Shannon. Eine Theorie mit Wurzeln in der Nachrichtenübertragung, sie klassifiziert Information nach technischen Kriterien, bringt ökonomische Vorteile und sollte aus diesen Gründen in einer Nachrichtenübertragungstheorie eingeordnet werden. Es ist die zweite Natur, die seit Beginn der chemischen Evolution vor 3.5 Milliarden Jahren die Information entwickelt. Wir konstruieren nun Informationstechnologie seit über 70 Jahren, beziehen aber dieses gespeicherte Wissen unserer Gene nur bedingt in unsere Informationstheorie mit ein. Alles was wir über Information sagen können ist, daß wir eigentlich nicht wissen was sie/es eigentlich ist. Sie ist auf jeden Fall eines der mächtigsten Instrumente der Gegenwart. Claude Shannon hat Meilensteine im technischen Umgang mit dieser Information gesetzt, er schuf die Basis für Algorithmen die inzwischen selbständig „logisch richtige“ Entscheidungen treffen können. Ich würde aus diesem Vergleich zu den 3.5 Milliarden Jahren Informationsentwicklung diese Technologie als höchst gefährlich einordnen. Aber es gibt kein Zurück, es ist wie mit dem Begriff der Zeit, die Information ist ein zentrales Element und sie entwickelt sich seit Begin nur in eine Richtung und unsere neuen digitale „Errungenschaften“ sind Teil davon. Im Grunde genommen ist nicht klar ob die Natur Triebfeder für die Entwicklung der Information ist oder umgekehrt. Ich sehe den Mensch im Moment als ein Zentrum der Evolution, aber nur als Wirt der Information.

Welches Ziel könnte die Entwicklung der Information haben: Durch Information wird für uns Zeit erst wahrnehmbar. Information scheint aber die Tendenz zu haben, sich der Zeit entgegenzustellen. Information könnte ausserhalb der Zeit existieren und generell zeitlos sein. Sie befindet sich dadurch aber außerhalb unseres Wahrnehmungsvremögens. Aus dieser Schlußfolgerung könnte man über die Entwicklung der Information von der Ersten, in die zweite und dritte Natur struktierien.

Video: https://vimeo.com/420216867 - Der Übergang von der ersten in die zweite Natur - Chaosforschung rund um den Informationsbegriff - Ausstellung: Amro 2020

Es ist unglaublich, wir leben genau zum richtigen Zeitpunkt, was für ein Zufall! Wir leben im Übergang von der 2. in die 3. Natur und haben sogar ein hoch entwickeltes Abstraktionsvermögen um dieses Ereignis zu beoachten. Der Mensch schuf das erste mal eine Methode um Information mathematisch erfassen und bearbeiten zu können.

Weitere Abstraktion

Der Mensch schaffte dieses Abstraktionsvermögen über das Bewusstsein seines Ichs, entwickelt dieses ICH über Spiegelungen der Realität größtenteils im Schlaf. Dazu waren eine Menge Erkenntnisse notwendig, die in einem Begriffsfeld von verschiedenen Informationen getroffen werden mussten. Diese Felder wurden meist auf eine dualen Form gekürzt um Entscheidungen zu erleichtern. Entscheidungen in diesen dualen Felder wurden in den letzten Jahrhunderten immer mehr auf Basis naturwissenschaftlichen Erkenntnisse getroffen. Diese Entscheidungsfreiheiten wurden über die Phantasie oft mit dem freien Willen des Menschen verwechselt, den es aber in einem naturwissenschaftlichen Kontext nicht geben kann. Aus diesem Grund brauchen wir bei unseren Überlegungen den Kunstkontext. Siehe die Kunstausstellung Fields in Riga 2006, kurratiert von Rixc und Armin Medosch.

Über die Notwendigkeit von mehrdimensionalen Entscheiungsfeldern.

Entscheidungen in diesen dualen Feldern werden über logische Argumente getroffen. Durch diese dualen Entscheidungsfelder entstehen eindimensionale „logisch richtige“ Entscheidungen. Um diese Entscheidungen im Sinn des Individiums zu erweitern sollten aber Bauchentscheidungen berücksichtigt werden, emotionale Entscheidungen, die über den Informationsspeicher unserer Genen getroffen werden. Wir sollten also diese Informationsdatenbank der Evolution in Entscheidungen mit einbeziehen. Wir wollen nun versuchen Gefühlsentscheidungen in der Welt der Logik zu argumentieren, dazu müssen wir uns in die Traumwelt vorwagen, in die Welt des Glaubens, der Hoffnung und der Kunst. Ein politsch sehr fragwürdiger Akt, der Tür und Tor für jeden Non-sense öffnet, der vielleicht die Demokratie in Frage stellt und konservative Werte stärkt.

Das Zweidimensionale Entscheidungsfeld

Die Realität unseres Alltags ist inzwischen zum Grossteil von informationsverarbeitenden Maschinen geprägt. Diesen „logisch richtigen“ Entscheidungshilfen kann das Individium mit seinen Gefühlen und „Bauchentscheidungen“ kaum Argumente entgegenstellen. Daraus resultiert ein allgemeines Unwohlbefinden welches konservative Positionen weiter stärken kann. Der allgemein „logisch richtige“ Konsens gilt zwar als „Richtig und Wahr“, aber diese Entscheidungen sind für ein Individium langweilig und bringen keine neuen Entwicklungen. Obwohl Information auf Basis unserer Gene als evolutionäre Datenbank Phantasie und Abstraktion ermöglicht, verwenden wir diese im Alltag immer weniger. Das Indivium ist durch die „logisch richtige“ Information bereits in Zugwang gekommen, wir hinken den Maschinenentscheidungen hinterher und müssen uns rechtfertigen. Um individuelle Entscheidungen und Kreativität weiter zu ermöglichen liegt die Notwendigkeit auf der Hand die Information unserer Gene in die maschinellen Entscheidungen mit einzubeziehen. Ein wichtiger Faktor von individuellen Entscheidungen ist das Abstraktionsvermögen, daß aus Kunst und dem Schlaf entsteht. Kunst und Schlaf ist notwendig um sich von der "richtigen - wahren" Information zu erholen. (oder vice versa). Wir sollten in Zukunft der individuellen Information eine höhere Priorität ermöglichen. Wir kommen dadurch zum Begriff der komplexen Information. Eine Information die aus einem imaginären und einen rellen Anteil zusammengesetzt ist und die untereinander nicht mischbar sind.

Drei Beispiele einer komplexen Information - der imaginäre Anteil sagt nichts über die künstlerische Qualtiät der Darstellung aus
Bild 1: Darstellung Eleonore mit einem hohen imaginären Informationsanteil. Der imaginäre Anteil der Information steht für eine individuelle Sichtweise der Künsterin. Mit Zurhilfenahme von Modellen aus der Mathematik (komplexe Zahlen) könnte diese imaginäre Komponente in die Informationstechnologie einfließen. Die imaginäre Information hat nichts mit der künstlerischen Qualität einer Darstellung zu tun. Künstlerin: Marie Kovarikova
Bild 2: Darstellung der Eleonore mit einem hohen reellen Informationsanteil. Dieser reelle Anteil bedeutet einen hohen allgemein gültigen Wiedererkennenungsfaktor sagt auch nichts über die künstlerische Qualität der Darstellung aus. Kunst schafft künstliches aus der Natur. Die Komplexe Information sollte aber nicht nur bei Bildern sondern bei jeglicher Art von Information in der Technologie angewandt werden. Foto und Idee Franz Xaver
Bild 3: Darstellung der Eleonore mit einer rein subjektiven Sichtweise, mit einem hohen Anteil an imaginärer Information ohne künstlerischen Anspruch. In einer neuen Informationstheorie sollte eine komplexe Klassifizierung von Information existieren. Der erste Schritt wäre eine Übereinkunft, daß es nicht nur eine Art von Information gibt, die man unkontrolliert in die digitale Welt kippt. Zeichnung: Samson Igwe

Wir wollen beginnen mit der Mathematik zu argumentieren. Man sagt Mathematik ist die Universalsprache des Universums. In der Mathematik sind es die komplexen Zahlen unsere die eindimensionale Zahlenreihe erweitert hat. Komplexe Zahlen bestehen einem reellen und einem imaginären Anteil die sich ergänzen aber nicht mischbar sind. Es ist die Wurzel aus minus 1, die unsere Entscheidungen aus dem eindimensionalen in ein zweidimensionales Entscheidungsfeld bringen könnte. Mit einem zweidimenionalen Feld könnten wir die Informationstechnologie um die Komponente der Gefühlsentscheidungen als imaginären Anteil erweitern. Dies stellt unsere Informationstechnologie in Frage. Wir wollen aber keine Bremser sein. Wer bremst verliert. Wir wollen den Fortschritt und neue Entwicklungen, wir müssen aber unsere bekannte Informationstheorie neu überdenken. Wir wollen nicht zurück zu konservativen Werten, wir wollen auf Basis des demokratisch erworbenen Wissens und bei voller Anerkennung der technologischen Entwicklungen eine Integration der evolutionären Datenbank der Natur in die maschinellen Entscheidungsinstanzen der Zukunft.

Zu diesem Grund suchen wir in Projekten des Infolab nach Anomalien in der „logischen wahren“ Wirklichkeit. Neben den Anomalien des Wassers, mit denen wir seit 2005 experimentieren (Donautik und https://halfbit.org), erforschen wir auch Anomalien in mathematisch-naturwissenschaftlichen Zusammenhängen. Anomalien bieten immer Unbekanntes, wodurch unsere Phantasie angeregt wird, sie bietet Stoff für unsere künstlerischen Positionen. Dabei kommen wir zu unserem Folgethema: Interferenzen des Unbekannten

Leben als Fuge in physikalischen Interferenzen
Stammtisch: Dienstag Abend https://meet.jit.si/infolab

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