Auf dem „Messschiff Eleonore“ im Linzer Winterhafen werden Residencies vergeben, die sich mit dem Thema „Floating Bodies und Spaces“ beschäftigen. Eine Residency dauert 14 Tage und beinhaltet Leben und Arbeiten am Schiff und in dessen Umgebung. Die Residency-Serie richtet sich explizit an Kunstschaffende mit tänzerisch-performativem Hintergrund.
Das Thema „Floating Bodies und Spaces“ bezieht sich – dem Ort entsprechend – in vielfacher Weise auf Konzepte von Fließen und Liquidity. Der Ort ermöglicht Auseinandersetzung mit den Möglichkeitsräumen von Schiff, Wasser und des öffentlichen Raumes des Linzer Winterhafens, bzw. thematisiert auch einen Blick ins Zentrum aus der Peripherie des Hafenviertels. Es ist ausdrücklich erwünscht, sich mit den vorhandenen Umgebungen auseinanderzusetzen und abgesehen vom Schiff und dessen unmittelbarer Umgebung mit dem öffentlichen Raum des Winterhafens und des Hafenviertels zu arbeiten. Sitespezifisches Arbeiten ergibt sich beinahe unumgänglich aus der an sich spezifischen Situation des Messschiffes Eleonore, als auch aus der sehr exponierten Lage am Wasser, bzw. der Umgebung des Winterhafens/des Hafenviertels.
Zugunsten von originären künstlerischen Positionen wird die Kuratierung für die Residencies thematisch weit gehalten: Die Einreichungen können sich auf Körper- und Identitätskonzepte des Floatings beziehen, von körperlichen Autonomien an „fließenden“ Schnittstellen – der „Floating Bodies“: Mit welchen erweiterten Möglichkeiten, aber auch mit welchen Einschränkungen ist in dieser unmittelbar gedeuteten Umgebung des Wassers ein körperliches Floating möglich?
Ebenso können sich diese Bewegungs- und Identitätskonzepte der „Floating Bodies“ auf Konzepte der „Floating Spaces“ erweitern, die speziell im urbanen Raum einen so genannten Shared Space im Sinne der Auflösung einzelner Interessensbereiche thematisieren. Interessanterweise markiert der öffentliche Raum des Winterhafens als sehr inhomogen zwischen Industrie und Freizeit genutzter Ort mit vielen undefinierten, bzw. nicht-inszenierten Nutzungszwischenräumen per se einen „Floating Space“, der geradezu auf künstlerische-körperliche Thematisierung wartet: Welche Arten der körperlichen Präsenz ermöglicht ein solcher Ort? Welche Fragestellungen ergeben sich daraus? Was bedeutet die Lage der Peripherie? Der Begriff der „Floating Spaces“ ist ein der Architektur entlehnter Begriff, der für den zeitgenössischen Tanz und dessen körperlicher Wahrnehmungsarbeit in fruchtbarster Weise genutzt werden kann: Eine Integration von kommunikativen und sozialen Bedingungen der Floating Spaces ist beiden Ansätzen geradezu eingeschrieben.
In ihrer Ergebnisorientierung sollen die Residencies zugunsten von originären künstlerischen Positionen weit gehalten werden: Ergebnis kann eine tänzerisch-performative Arbeit, eine Video/Fotoarbeit, theoretisch-praktischer Research, bzw. auch die Verfertigung von Gegenständen sein, die sich auf den oben angesprochenen Themenbereich beziehen. Wichtig ist der Bezug zur Örtlichkeit. Ausdrücklich bevorzugt werden Arbeiten, die neben künstlerischer Praxis auch einen theoretischen Hintergrund zum Thema „Floating Bodies and Spaces“ behandeln.
Die Residencies werden an ein bis zwei Personen vergeben, Übernachtung auf dem Schiff (zwei Kajüten vorhanden), plus Taggeld maximal 35 Euro, maximal 14 Tage. Reisekosten werden nicht übernommen. Es wird erwartet, dass die Arbeit eigenständig von den BewerberInnen umgesetzt wird, Unterstützung kann nach Möglichkeit gegeben werden. Für tänzerische Basisarbeit der eingeladenen Tanzkunstschaffenden ist es außerdem möglich, für einige Stunden pro Tag einen Tanzraum in der Nähe zu benutzen.
Kuratorin: Tanja Brandmayr, Kontakt: tanja.brandmayr@web.de.
Erste Künstlerin: Josselin Black von 17.9.2012 - 31.9.2012
„Common and literary metaphors regarding to water and balance“ – das ist in Kurzfassung der Arbeitsschwerpunkt der Tänzerin und Performerin Josseline Black auf dem Messschiff Eleonore.
Im Fokus ihrer Residency steht das Boot als archetypisches Vehikel eines schwimmenden Konstruktes: Die erste Metapher, der sich die US-Amerikanerin Josseline Black widmet, „Being At Sea“, meint sowohl das Boot selbst, das auf See ist; und es meint auch den Menschen, der sich in metaphorisch-existentieller Weise des Unterwegsseins auf hoher See befindet – auf und mit dem Boot. Die Tänzerin und Performerin Josseline Black nähert sich diesem „Being at Sea“ mit Fotos/Videostills an, die das Verhältnis von Schiff und Mensch thematisieren. Josseline Black verfolgt hier einen künstlerischen Ansatz, der bereits in anderen Arbeiten als Konzept von „Marriage“ starkes Gewicht hatte – und der in einer Frage nach Vereinbarkeit von Natur und Kultur, von „natürlichem Element“ und „kulturellem Konstrukt“ ihren durchaus sehnsüchtigen, künstlerischen Ausdruck findet.
Die zweite Metapher, „Getting your Sea Legs“, bezieht sich auf die Tatsache, dass sich Schiff und Mensch auf einem instabilen, auf einem an sich im Fluss, in Bewegung befindlichen Element fortbewegen. Seine „Sea Legs“ zu bekommen meint im metaphorischen Sinn sich einer neuen, unbekannten kulturellen Situation anpassen zu können, Wandel und Veränderung zu praktizieren, emotional und körperlich die vorerst unbekannten, als schwankend wahrgenommenen, nicht integrierten Regeln der Umgebung zu internalisieren. Josseline Black wird im Research dieser zweiten Metapher „Getting your Sea Legs“ die körperlichen Zustände Balance und Disbalance in den Mittelpunkt ihres Interesses stellen. „Floating Bodies“ meint hier, in einer Serie von Videos umgesetzt, auch einen immer wieder ins Wasser fallenden, hier im buchstäblichen „Floating Space Wasser“ treibenden Körper, meint emotionalen Ausdruck, meint zwischen den Elementen und Konstrukten einen Prozess der Erprobung von Balance.
Erweiterter (Arbeits)Titel:
If I were a Boat, … then I’d be a Lady
Ein feministischer Aspekt widmet sich dem Umstand, dass Boote traditionellerweise mit weiblichen Namen getauft werden – historisch gesehen von männlichen Seefahrern. „Being at Sea“ meint hier im Geschlechterverhältnis auch „Being the Boat“ – und als solches erst „Being a Lady“. In der Auseinandersetzung mit marinen Geschichte(n) stellt sich die Geschlechter-Frage und eine daraus ableitbare paradoxe Perspektive: Ist es Frauen heutzutage unmöglich, eine Lady ohne Boot zu sein?